Gefäßmedizin aktuell
Diese Rubrik wird ab Mitte 2015 unter "VASA: Journal Club" fortgeführt.
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Thrombolyse für Lungenemboliepatienten mit „intermediärem Risiko“
Dr. med. Mareike Lankeit, Centrum für Thrombose und Hämostase, Universitätsmedizin Mainz, Langenbeckstr. 1, 55131 Mainz, Tel. 06131/17-8381, Fax 06131/17-8461, email mareike.lankeit@unimedizin-mainz.de
Aufgrund der prognostischen Heterogenität von Patienten mit akuter Lungenembolie wird durch aktuelle Leitlinien ein risikoadaptiertes diagnostisches und therapeutisches Procedere empfohlen. Patienten mit hämodynamischer Instabilität (persistierende arterielle Hypotonie oder kardiogener Schock) haben eine Letalitätsrate von über 15% - in einigen Studien bis zu 65% - und werden daher als „Hochrisiko“-Patienten eingeteilt um so ein an die Dringlichkeit der Situation angepasstes diagnostisches und therapeutisches Vorgehen (in Form einer rekanalisierenden Therapie wie beispielsweise einer systemischen Thrombolyse) zu ermöglichen. Für hämodynamisch stabile „Nicht-Hochrisiko“-Patienten wird nach Diagnosesicherung eine weiterführende Risikostratifizierung empfohlen: Anhand Markern der myokardialen Ischämie wie beispielsweise den kardialen Troponinen sowie dem Nachweis einer rechtsventrikulären (RV) Dysfunktion mittels transthorakaler Echokardiographie oder Computertomographie (CT) kann zwischen Patienten mit „intermediärem“ und „niedrigem“ Letalitätsrisiko differenziert werden. Aufgrund des bisherigen Mangels an verlässlichen Daten aus kontrollierten randomisierten Studien wird jedoch eine systemische Thrombolyse von „Nicht-Hochrisiko“-Patienten durch aktuelle Leitlinien nicht routinemäßig empfohlen.
In den vergangenen Jahren haben sich jedoch Hinweise akkumuliert, dass normotensive Lungenemboliepatienten mit einer RV Dysfunktion von eine rekanalisierende Therapie profitieren könnten: Bereits 2002 wurde in der Management Strategies and Prognosis of Pulmonary Embolism-3 Trial (MAPPET-3 Studie) nachgewiesen, dass bei hämodynamisch stabilen Patienten mit echokardiographischem Nachweis einer RV Dysfunktion durch eine thrombolytische Therapie mit 100 mg Alteplase das Auftreten des primären Endpunktes (Tod oder klinische Verschlechterung mit Notwendigkeit der Therapieeskalation) im Vergleich zu unfraktioniertem Heparin allein (13/118 [11.0%] versus 34/138 [24.6%], p=0.006) reduziert werden konnte (1). In der 2010 publizierten Tenecteplase Italian Pulmonary Embolism Study (TIPES Studie) wurde gezeigt, dass die Reduktion des echokardiographisch bestimmten RV/LV Verhältnisses nach 24 Stunden durch eine thrombolytische Therapie mit Tenecteplase ausgeprägter war als bei einer Therapie mit unfraktioniertem Heparin allein (0.31±0.08 versus 0.10±0.07, p=0.04; (2)).
Auf der Grundlage dieser Arbeiten wurde in der Anfang April 2014 im New England Journal of Medicine publizierten multizentrischen, internationalen, doppel-blind randomisierten Pulmonary Embolism Thrombolysis Study (PEITHO Studie) überprüft, ob normotensive Patienten mit positivem Troponintest und Nachweis einer RV Dysfunktion in der transthorakalen Echokardiographie oder CT von einer frühen thrombolytischen Behandlung (Tenecteplase versus Placebo) profitieren (3). Nach Einschluss von 1006 Patienten wurden die Studienergebnisse im März 2013 auf der Jahrestagung des American College of Cardiology in San Francisco, USA präsentiert. Insgesamt erreichten 28 von 499 (5,6%) Patienten, die mit unfraktioniertem Heparin allein behandelt wurden, den primären Endpunkt (Tod oder hämodynamischer Kollaps innerhalb 7 Tagen) verglichen mit nur 13 von 506 (2,6%) Patienten, die mit Tenecteplase in gewichtsadaptierter Dosierung behandelt wurden (Odds Ratio: 0,44, 95% Konfidenzintervall: 0,23-0,87, p=0,015). Unterschiede hinsichtlich der 7-Tages-Letalitätsrate konnten nicht beobachtet werden (1,8% im Heparinarm versus 1,2% im Tenecteplasearm, p=0,42). Jedoch waren schwere extrakranielle (1,2% im Heparinarm versus 6,3% im Tenecteplasearm, p<0,001) wie auch intrakranielle (0,2% im Heparinarm versus 2,0% im Tenecteplasearm, p<0,001) Blutungen signifikant häufiger bei den mit Tenecteplase behandelten Patienten.
Kommentar von Dr. med. Mareike Lankeit:
Zusammenfassend konnte in der PEITHO Studie gezeigt werden, dass eine Risikostratifizierung von „Nicht-Hochrisiko“-Patienten sinnvoll ist und konkrete therapeutische Konsequenzen (in Hinblick auf die Notwendigkeit einer stationären Überwachung und Indikationsstellung zur rekanalisierenden Therapie) beinhaltet. Trotz der relativen Risikoreduktion von 56% durch die Gabe von Tenecteplase darf aufgrund der hohen Rate – insbesondere intrakranieller – Blutungen die Indikation zu einer systemischen Thrombolyse nur nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Abwägung unter Beachtung des individuellen Blutungsrisikos erfolgen. Eine besondere Berücksichtigung sollte dabei das Patientenalter erfahren: auch wenn in der aktuellen PEITHO Studie der Unterschied keine statistische Signifikanz erreichte, schienen ältere Patienten (>75 Jahre) ein erhöhtes Risiko für intrakranielle Blutungen zu haben. Diese Daten sind in Übereinstimmung mit vorherigen Beobachtungen bei Patienten mit akuter Lungenembolie (4) und ST-Strecken-Hebungs-Myokardinfarkt (5). Für Patienten mit hohem Blutungsrisiko (wie beispielsweise ältere Patienten und Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion) könnten möglicherweise eine Dosisreduktion des Thrombolytikums (Gabe der halben Standarddosis) (6) sowie alternative Strategien wie die lokale pharmakomechanische Thrombolyse (7) in Zukunft eine „sicherere“ Option darstellen.
Literatur: